Skip to main content

Digital Twin Family

Kooperation weitergedacht

Unternehmensübergreifende Plattform ermöglicht Informations- und Wissenstransfer mit Digitalem Zwilling einer Produktionsanlage

Produzierende Unternehmen in Deutschland sind mit einem Anteil von rund einem Viertel der Bruttowertschöpfung eine tragende Säule der Wirtschaft. Doch mit der Globalisierung steigen Wettbewerbs- und Kostendruck. Kunden wünschen sich individuelle Produkte und Nachhaltigkeitsanforderungen im Sinne von Ressourcenschonung und neuen Kreislaufstrategien nehmen zu. All dies bringt Unternehmen in Schwierigkeiten. Sie müssen Produktionsprozesse anpassen und Anlagen auf- oder umrüsten. Gleichzeitig werden ihre Produktionssysteme technisch immer komplexer, die Steuerung sowie Wartung und Instandhaltung werden anspruchsvoller.

Maschinen und Anlagen in Industrieunternehmen werden zunehmend mit Informations- und Kommunikationstechnologien ausgestattet und miteinander vernetzt. Der Digitalisierungsgrad der industriellen Fertigung und der Wertschöpfungsketten steigt weiter stark an. Industrie 4.0 wird Realität und Arbeitsalltag. Unternehmen versprechen sich Optimierungsmöglichkeiten durch die größere verfügbare Menge an Informationen. Die Produktivität einer Anlage steht bei all dem an erster Stelle. Sie sichert die Wertschöpfung und damit die Wettbewerbsfähigkeit und den Erhalt des Standortes.

„Kooperationen müssen positiv auf den Wertschöpfungsprozess wirken und dabei helfen, die Wirtschaftlichkeit der Anlage zu erhöhen.“

Stephan Dassow,  Metop GmbH

Der Lebenszyklus einer Produktionsanlage reicht von der Planung über den Bau, die Integration sowie Vernetzung der Anlage und den laufenden Betrieb einschließlich Instandhaltung bis zur schließlichen Ausmusterung und Wiederverwendung der Teile. In den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus sind daher ganz unterschiedliche Unternehmen eingebunden. Im besten Fall arbeiten sie Hand in Hand, um die Gesamtanlage effizient zu betreiben und langfristig vor Ausfällen zu schützen. Dazu bedarf es valider digitaler Modelle sowie weiterer Daten wie Prozess- und Simulationsdaten oder Produktionsparameter. 

Dem Informationsmanagement und dem Umgang mit digitalen Daten kommt eine immer größere Bedeutung in Betrieb und Instandhaltung zu. Gleichzeitig sind Anlagenfunktionen und Wirkzusammenhänge immer schwieriger zu erfassen und zu verstehen. Instandhaltungsaufgaben werden oft extern vergeben und ständige Weiterentwicklungen der Anlagen erfordern einen engen Austausch zwischen Hersteller, Betreiber und Serviceanbieter. Der Systemblick auf das Ganze geht verloren, Informationen liegen verteilt und oftmals unvollständig oder veraltet vor. Dieses Problem verstärkt sich im Laufe des Produktlebenszyklus immer weiter.

Ein Lösungsansatz liegt in einer Kooperationsplattform, die eine gemeinsame standardisierte Datenbasis für alle Beteiligten über den gesamten Anlagenlebenszyklus zur Verfügung stellt. Hier setzt das Projekt »NedZ – Gestaltung unternehmensübergreifender Kooperationsnetzwerke mit dem digitalen Zwilling« an, das von April 2020 bis zu seinem erfolgreichen Abschluss im März 2023 lief. In diesem wurde ein datenbasiertes Kooperationsnetzwerk zusammen mit mehreren Projektpartnern aus der produzierenden Industrie, der Arbeitswissenschaft und der Forschung aufgebaut. Hier waren die BTU Cottbus-Senftenberg aus arbeitswissenschaftlicher Sicht, SM Calvörde Sondermaschinenbau GmbH & Co. KG als Anwendungspartner im Maschinenbau, die Metop GmbH mit ihrem Blick auf Datensouveränität und Geschäftsmodelle sowie Klesyma GmbH, Rusche-Zubringetechnik und SIS GmbH als weitere Anwendungspartner eingebunden. Die Koordination hatte das Fraunhofer IFF inne.

„Aspekte der Arbeitsplatzgestaltung, der Entscheidungsmöglichkeiten und der aus der Digitalisierung resultierenden veränderten Belastungs- und Beanspruchungssituationen werden unter anderem auch mit Blick auf demografische Gegebenheiten immer wichtiger.«


Dr.-Ing. Anna-Sophia Henke, BTU Cottbus-Senftenberg 

Ziel war es, Möglichkeiten einer zeitgemäßen Arbeitsweise, auf Basis eines prototypischen digitalen Zwillings einer Produktionsanlage zu unternehmensübergreifenden Kooperationszwecken, aufzuzeigen.  Alle Projektpartner nutzten diese Kooperationsplattform gemeinsam, stellten Informationen bereit und pflegten diese. Übergeordnetes Ziel war eine Verbesserung des Anlagenbetriebes und damit eine Erhöhung der Wertschöpfung bei den beteiligten Unternehmen.

Auf Grundlage dieses Netzwerkes haben die Anwendungspartner ein Wertschöpfungssystem beispielhaft entwickelt, das sich auf eine konkrete Produktionsanlage bezieht. Dann wurde der aktuelle Wertschöpfungsprozess analysiert und darauf aufbauend wesentliche Anforderungen, aber auch Hemmnisse für ein datenbasiertes Kooperationsnetzwerk identifiziert. Mit diesen Erkenntnissen konnten Anwendungsfälle ermittelt werden, die praktisch umgesetzt und entsprechend den neuen Anforderungen gestaltet wurden.

Das Kooperationsnetzwerk ist als Unterstützungssystem zu verstehen. Alle Fachkräfte, die damit arbeiten, bekommen eine gemeinsame, globale Sicht auf „ihre“ Produktionsanlage. Die Zusammenarbeit wird vereinfacht. Der digitale Zwilling bildet dafür die zentrale Informations- und Arbeitsbasis, welche aus Strukturinformationen und Dokumenten besteht. Außerdem bildet er reale Zustände der Anlage in Echtzeit ab. So können Prozesse und Dienstleistungen unternehmensübergreifend transparent und flexibel gestaltet werden. Da der Anlagenbetrieb wesentliche Aufgabe in der Wertschöpfung ist, wird auch der digitale Zwilling zum zentralen Bestandteil langfristiger Wirtschaftlichkeit und Innovation. Dieser Teilaspekt wurde im Projekt von der Metop GmbH besonders untersucht. „Wir haben den Produktlebenszyklus betrachtet und die Geschäftsmodelle der an der Anlage Beteiligten wie Anlagenbauer und -betreiber sowie Instandhalter auf den Prüfstand gestellt,“ erklärt Stephan Dassow, Prokurist und Projektverantwortlicher bei der Metop GmbH. „Wir wollten wissen, welche Auswirkungen welche Kooperationsformen jeweils haben. Denn Kooperationen müssen positiv auf den Wertschöpfungsprozess wirken und dabei helfen, die Wirtschaftlichkeit der Anlage zu erhöhen,“ so Dassow weiter. Wichtig dabei war, die Datensouveränität jederzeit sicher zu stellen. „Jeder Projektpartner hat selbst entschieden, wer seine Daten sehen kann. Für eine unternehmensübergreifende Kooperation ist so etwas essentiell“, beschreibt Dassow das Vorgehen.

Informationen und Daten sind oft entscheidender Wettbewerbsvorteil, ihr Schutz war daher eine besonders wichtige Anforderung im Projekt NedZ. Aus diesem Grund wurde eine Risikobewertung des digitalen Zwillings durch alle beteiligten Projektpartner durchgeführt. Grundlage dafür waren die Schutzziele der Informationssicherheit: Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit.

Neben neuen Arten der Wertschöpfung entstehen auch neue Formen der Zusammenarbeit und der Arbeitsorganisation. Die Kooperationsplattform wirkt auf Arbeitsprozesse, erfordert neue Digital- und Sozialkompetenzen sowie die Akzeptanz der Beschäftigten. „Wir haben das gesamte Projekt arbeitswissenschaftlich begleitet. Auf der Grundlage der jeweiligen Unternehmensprozesse wurde beispielhaft gezeigt, wie Kooperationsnetzwerke gestaltet werden können. Dabei war es wichtig, mögliche Auswirkungen auf den Arbeitsprozess und die Menschen darin zu berücksichtigen, sagt Dr.-Ing. Anna-Sophia Henke, akademische Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Arbeitsorganisation und Projektverantwortliche an der BTU Cottbus-Senftenberg. So standen vor allem veränderte Anforderungen und Belastungen für die beteiligten Fachkräfte im Raum. „Aspekte der Arbeitsplatzgestaltung, der Entscheidungsmöglichkeiten und der aus der Digitalisierung resultierenden veränderten Belastungs- und Beanspruchungssituationen werden unter anderem auch mit Blick auf demografische Gegebenheiten immer wichtiger,“ erklärt Henke.

„Hierfür haben wir am Fraunhofer IFF eine webbasierte Lösung entwickelt, die all die Anforderungen berücksichtigt“


Torsten Böhme, Fraunhofer IFF

Effiziente Prozesse und ein intuitives Datenhandling setzen eine passende Softwarelösung voraus. „Hierfür haben wir am Fraunhofer IFF eine webbasierte Lösung entwickelt, die all die Anforderungen berücksichtigt,“ sagt Torsten Böhme, Projektleiter NedZ am Fraunhofer IFF. Die Daten des digitalen Zwillings wurden zusammenführt und entsprechend der jeweiligen Zugriffsrechte in einem Frontend für die Beteiligten verfügbar gemacht. Dabei waren Nutzerfreundlichkeit, Steuerbarkeit, und Fehlermanagement ebenso wichtig wie der Schutz der Daten vor unbefugtem Zugriff.

Das Projekt NedZ hat soziale und technische Innovationen zusammengebracht und dabei die wesentlichen Aspekte für unternehmensübergreifende Netzwerke berücksichtigt. Langfristig können mit Kooperationsnetzwerken auf Basis digitaler Zwillinge die Arbeitsorganisation im Unternehmen verbessert und Instandhaltungsmaßnahmen von Produktionsanlagen optimiert werden. Darüber hinaus kann ein solches Netzwerk auch Ausgangspunkt für neue datenbasierte Dienstleistungen sein.

Förderhinweis: Das Forschungsprojekt wird im Rahmen des Programms »Zukunft der Arbeit« (FKZ: 02L18B500ff.) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut.